Umsetzungsbeispiele aus Malters, Buchrain und Flühli

Die Schulen in den verschiedenen Gemeinden haben die Vorgaben des Kantons unterschiedlich umgesetzt. Die Vorgaben des Kantons können durch drei verschiedene Modelle realisiert werden: Das Kooperative Modell, das Integrative Modell und das Typengetrennte Modell. Im folgenden sollen drei prototypische Schulen vorgestellt werden. Viele Gemeinden setzen auch auf gemischte Modelle.

 

Das Typengetrennte Modell am Beispiel des Muoshof Schulhauses Malters

Die Typengetrennte Modell ist das klassische Modell. Hierbei werden die Schüler in drei Niveaus unterteilt (A, B und C) und in Klassen zusammengefasst. So gibt es Klassen A, B oder C Klassen die alle Fächer in ihrer jeweiligen Klasse absolvieren. Dieses Modell hat zum Ziel die Heterogenität innerhalb einer Klasse zu reduzieren.

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Schulhaus Muoshof Malters

 

Das Kooperative Modell am Beispiel des Schulhauses Hinterleisibach in Buchrain 

Beim Kooperativen Modell gibt es zwei Stammklassen A/B und C. Geschichte/ Geographie, Naturlehre und Deutsch werden dabei von der ganzen Klasse besucht, während Englisch, Französisch und Mathematik als Niveaufächer geführt werden. Dies bedeutet, dass die Schüler je nach Niveau (A, B oder C) zusammengefasst und in dieser Gruppe unterrichtet werden.

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Blick auf den Pausenplatz

 

Das Integrative Modell am Beispiel des Schulhauses Flühli 

Das Integrative Modell versucht alle drei Niveaus in eine Klasse zu integrieren. Damit dies gelingt, ist eine besondere Organisation notwendig. So haben die Schülerinnen und Schüler im Schulhaus Flühli einen hohen Anteil an selbst organisiertem Lernen. Dieses Modell versucht die Prinzipien der Inklusion im Schulalltag umzusetzen.

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Schulhaus Flühli

 

 

 

 

 

Durch die Integrative Förderung zur Inklusiven Schule. Ein Interview mit Dr. Christina Huber Keiser

Dr. Christina Huber Keiser lehrt an der PHLU und gilt als Verfechterin des inklusiven Ansatzes. Im Rahmen dieser Arbeit trafen wir sie zum einem ausführlichen Interview über Gegenwart, Perspektiven und Problemlagen der integrativen Förderung.

Wie würden Sie einem Laien das Prinzip des Integrativen Unterrichts erklären?

Heute sprechen wir eher von inklusivem Unterricht. Es geht bei diesem darum, dass alle Kinder gemeinsam an Schule und Unterricht teilhaben können. Es wird also konsequent darauf verzichtet bestimmte Kinder aus dem Regelschulsystem oder dem Regelunterricht auszuschliessen. Damit verbunden ist auch, dass wir als Lehrpersonen akzeptieren, dass unsere Gesellschaft und demzufolge auch unsere Schülerinnen und Schüler divers sind. Im bisherigen Schulsystem werden Kinder oft in Kategorien eingeteilt (z. B. behindert vs. nicht-behindert, mit vs. ohne Migrationshintergrund, Mädchen vs. Knaben) und damit eine relativ einseitige Sichtweise auf das Kind geprägt, weil der Fokus auf einzelne «besondere» Aspekte des Kindes gelegt wird. In einer inklusiven Schule akzeptieren wir die Diversität, d. h. wir erkennen, dass die Persönlichkeit jedes einzelnen Kindes durch verschiedene Heterogenitätsaspekte geprägt ist, welche zusammenspielen.

Inklusive Schule bedeutet auch, dass neue Formen des Lernens, der Unterrichtsgestaltung, der Kooperation im Unterricht gesucht und entwickelt werden. Formen, in denen wir auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingehen und Diskriminierungen vermeiden. Dazu gehört es auch, dass die Gemeinschaft der Klasse nicht ausser acht gelassen wird. Lehrpersonen befinden sich damit in einem Spannungsfeld, das sie professionell bearbeiten müssen – und genau dies macht ja den Lehrberuf so spannend.

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Quelle: Wikipedia

 

Die Integrative Förderung ist also ein erster Schritt zu einem inklusiven Unterricht?

Schulentwicklungsprozesse nehmen viel  Zeit in Anspruch. Insofern kann die Einführung Integrativer Förderung als erster Schritt hin zu einem inklusiven Unterricht verstanden werden.

Was ist das Ziel Inklusiven Unterrichts? 

Das Ziel ist eine chancengerechte Schule, die sicher stellt, dass alle Menschen ihren Möglichkeiten entsprechend an der Gesellschaft partizipieren können.

Beispiel einer Inklusiven Schule, in der jedes Kind seinen Platz findet.

Würden Sie sagen, dass die Inklusive Schule mehr Ideologie als Methode ist? 

Dem würde ich so widersprechen, denn die Realisierung von Inklusion bedingt, dass Schule und Unterricht weiterentwickelt werden. Natürlich müssen wir uns bewusst sein, dass Pädagogik und damit Schul- und Unterrichtsentwicklungen stets auch normativ geprägt sind.

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Erfordert der Inklusive Ansatz einen höheren Einsatz von Ressourcen?

Ich würde nicht per se von einem höheren Einsatz von Ressourcen sprechen, sondern eher davon, dass die Ressourcen anders eingesetzt werden müssen. Der Staat ist ja bereits heute verpflichtet, alle Kinder und Jugendlichen zu bilden. Es geht hier also um bildungspolitische Fragen, ganz zentral die Frage danach, wie viel uns Bildung wert ist, wieviele Ressourcen wir grundsätzlich in Bildung investieren wollen.

Wenn Integration bedeutet, dass wir einfach Sonderschulen/-klassen auflösen, um im Bildungsbereich zu sparen, dann entspricht dies nicht der Idee von Inklusion, wie ich sie verstehe. Dr. Christina Huber Keiser

Was sind Problembereiche des Integrativen Unterrichts?

Ich sehe, dass das Prinzip der Integration in der Praxis und noch viel stärker im öffentlichen Diskurs bisweilen nur verkürzt verstanden wird. Wenn Integration bedeutet, dass wir einfach Sonderschulen/-klassen auflösen, um im Bildungsbereich zu sparen, dann entspricht dies nicht der Idee von Inklusion, wie ich sie verstehe.

Viele Lehrer scheinen vom Integrativen Unterricht noch nicht überzeugt zu sein und beklagen den Mehraufwand, auch schwache Schüler in die Klasse zu integrieren. Woran liegt das? 

Oft lässt sich feststellen, dass die Idee des inklusiven Unterrichts auch von den Lehrpersonen nur verkürzt verstanden wird. In der Praxis ist es bisweilen so, dass  man «schwache» Schüler von der Klasse trennt und sie der IF-Lehrperson übergibt, welche die Kinder dann quasi separativ beschult. Damit schliesst man das Kind systematisch von der Teilhabe am Klassenunterricht aus, was nicht dem Credo des inklusiven Unterrichts entspricht. Sinnvoller wäre es, wenn IF-Lehrperson und Klassenlehrperson den Unterricht gemeinsam weiterentwickeln und schauen, wie sie diesen adaptiv auf die Schüler resp. die Klasse anpassen können.

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Dr. Christina Huber Keiser befasste sich in ihrer Dissertation mit der Lehrerinnen- und Lehrerbildungspolitik seit dem Ende der 1950er Jahre.

 

Welche Rahmenbedingungen müssten gegeben sein, um eine Inklusive Schule zu gestalten? 

Inklusive Schule geht auch im Lehrerteam nur gemeinsam. Dazu müssen die Schulen vermehrt eine Personalpolitik betreiben, in der sie analysieren, über welche Kompetenzen das Team als Ganzes bereits verfügt und welche weiteren Kompetenzen sie in ihrem Team benötigen. Für eine inklusive Schule braucht es nicht Lehrerinnen und Lehrer, die in jedem Teilgebiet Expertinnen sind. Vielmehr geht es darum, dass die verschiedenen Lehrpersonen eines Teams ihre besonderen Stärken einbringen können. Vielleicht gibt es im Team eine Expertin in der Fachdidaktik Mathematik, diese kann den anderen Teammitgliedern dann Unterstützung bieten, wenn es darum geht, Kinder zu unterrichten, die in der Mathematik Mühe haben. Eine andere Lehrperson ist Expertin für Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse, sie unterstützt dann das gesamte Schulteam darin, die Schule zunehmend inklusiv zu gestalten.

Zu unserer letzten Frage, was wären ideale Rahmenbedingungen damit die Inklusive Schule gelingt? 

Man müsste mehr in die Aus- und vor allem die Weiterbildung von Lehrpersonen investieren. Als Lehrerin zu arbeiten heisst, einen professionellen Beruf auszuüben, indem es keine fertigen Rezepte gibt. Unterricht muss adaptiv und situativ gestaltet werden. Weiterbildung und zwar auch in Form von Intra- oder Supervision kann Lehrpersonen in ihrer professionellen Weiterentwicklung unterstützen. Aber auch im Schulhausbau muss man auf die veränderten Bedingungen Rücksicht nehmen. So braucht es flexible Räume, die man unterschiedlich gestalten und nutzen kann. Es braucht Orte, an denen die Schülerinnen und Schüler still arbeiten oder sich zurückziehen können, es braucht Orte, wo sie in kooperativer Form oder in Gruppen arbeiten können.

Dr. Christina Huber Keiser vielen Dank für Ihre ausführlichen Antworten. 

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